Vor ein paar Tagen las ich in einem Tweet des ADFC Köln, dass nach Ansicht der Landesdatenschutzbeauftragten (NRW?) die Angabe des Namens eines Zeugen auf Verwarnungen und Bußgeldbescheiden unzulässig sei.

Dabei wird dieser Tweet genannt, der einen Link zu diesem Blogbeitrag enthält.

Da fiel mir ein, dass ich auch bereits im März 2019 eine Anfrage an den Landesdatenschutzbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Baden-Württemberg (BW) stellte und einige Tage später eine detaillierte Antwort darauf bekam. Spoiler: In BW sieht man das nicht so wie in NRW oder z. B. auch in Hessen.

Hintergrund meiner damaligen Anfrage war eine bereits zurückliegende Anfrage an die Stadt Frankfurt, die ihre Praxis aufgrund der Intervention der dortigen Landesdatenschutzbehörde geändert hatte und seitdem die Daten des Anzeigeerstatters nicht mehr im Anhörungsbogen angibt.

Meine Anfrage stellte ich bereits am 12.03.2019 via E-Mail und bekam Ende März 2019 die Antwort per Post, die ich hier vollständig ablege. (Ich habe sie abgetippt, es könnte also Fehler geben.)

Auch wenn die Antwort schon alt ist, möchte ich sie trotzdem hier haben. Vielleicht ist die Argumentation der Behörde interessant so im Vergleich zu den anderen Landesbehörden, die das anders sehen.

Vielleicht werde ich auch eine neue Anfrage zu diesem Thema an den LfDI BW stellen.

Hier der gesamte Brief:

Absender: Baden-Württemberg – Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

Betreff: Datenschutz Bußgeldverfahren – Ihre E-Mail vom 12.03.2019

Sehr geehrter Herr […],

vielen Dank für Ihre oben bezeichnete E-Mail.

Sie fragen an, ob es datenschutzrechtlich zulässig ist, dass im Anhörungsbogen für Ordnungswidrigkeiten die Daten des Anzeigeerstatters (Vorname, Nachname, Wohnort) bezeichnet werden. Sie teilten mit, dass im Bundesland Hessen der hessische Datenschutzbeauftragte erreicht hätte, dass diese Angaben nicht mehr auf Anhörungsbögen auftauchen.

Die Datenverarbeitung der Bußgeldstelle erfolgt zu Zwecken der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. In diesem Bereich ist nicht die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), sondern die Richtlinie (RL (EU) 2016/680) einschlägig, die anders als die DS-GVO nicht unmittelbar gilt, sondern erst in innerstaatliches Gesetz umgesetzt werden muss, was bislang noch nicht umfassend erfolgt ist.

Gem. § 30 Absatz 2 des Landesdatenschutzgesetzes (LDSG) findet auf Behörden des Landes, die personenbezogene Daten zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten verarbeiten, das Landesdatenschutzgesetz in der am 20.Juni 2018 geltenden Fassung Anwendung (LDSG (a.F)).

Bezüglich der Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit an sich ist jedoch nicht das Landesdatenschutzgesetz anwendbar, sondern dies richtet sich nach den Regeln des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), welches auf die allgemeinen Gesetze des Strafverfahrens bzw. der Strafprozessordnung verweist.

Als Anzeigeerstatter sind Sie in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren Zeuge.

In unserem 33. Tätigkeitsbericht 2016/2017 (https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/wp-content/uploads/2018/02/33.-DS-TB.pdf#) finden Sie einen Beitrag über die Mitteilung der Zeugendaten im Verfahren über die Ordnungswidrigkeiten. Dort ging es allerdings um die Nennung des Namens und der vollständigen Adresse.

Auch hier ist das Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten anzuwenden. Gem. § 66 Abs. 1 Nr. 4 OWiG müssen Zeugen als Beweismittel im Bußgeldbescheid angegeben werden. Soweit die bisher herrschende Auffassung zu § 66 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) unter Hinweis auf die ältere Rechtsprechung aus der Pflicht zur Angab der Beweismittel im Bußgeldbescheid (§66 Absatz 1 Nr. 4 OWiG) folgert, Zeugen seien mit Namen und Anschrift anzugeben, überzeugt dies im Hinblick auf die Änderung von § 200 der Strafprozessordnung (StPO) durch das Zweite Opferrechtsreformgesetz (vom 29. Juli 2009, BGBI. I 2280) nicht (mehr): Auch für die Anklage im Strafprozess wird nach § 200 Absatz 1 Satz 2 StPO die Angabe der Beweismittel gefordert. Die Angabe der Anschrift eines Zeugen ist indes nicht erforderlich, § 200 Absatz 1 Satz 3 StPO. Diese Regelung sollte nach dem Grundgedanken der Geltung der Strafprozessordnung für das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (§ 46 Absatz 1 OWiG) auch für den Bußgeldbescheid Anwendung finden. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Bezeichnung der Beweismittel in dem Bußgeldbescheid strengere Anforderungen zu stellen sind als in einer Anklage.

Somit haben die Bußgeldbehörden ihre Verwaltungspraxis umgestellt und nennen nur noch Name und Wohnort des Zeugen.

Aber auch in dem Bußgeldverfahren vorgelagerten Verwarnungs- bzw. Anhörungsverfahren kann nichts anderes gelten.

Über eine Verwarnung wird lediglich eine Bescheinigung erteilt (vgl. § 56 Absatz 3 OWiG), die nicht mit dem Bußgeldbescheid vergleichbar ist. Daher bedürfte es an sich nicht der Angabe von Beweismitteln im Verwarnungsverfahren, auch wenn die Kenntnis von der Art der Beweismittel sicherlich dazu geeignet sein kann, dass der Betroffene die Verwarnung eher akzeptiert.

Indes ist mit der Verwarnungsbescheinigung standardmäßig auch eine Anhörung nach § 55 OWiG verbunden für den Fall, dass der Betroffene die Verwarnung nicht akzeptiert bzw. das Verwarngeld nicht rechtzeitig bezahlt. Für die Anhörung ist § 136 Absatz 2 StPO (über die Verweisung in § 46 Absatz 1 OWiG) zu beachten, wonach dem Beschuldigten durch die Vernehmung Gelegenheit zu geben ist, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinem Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen. Dafür ist jedoch notwendig, dass ihm die wesentlichen Verdachtsgründe – und damit auch die Zeugen – genannt werden. Hierbei sind die oben ausgeführten Grundsätze zu beachten, wonach nicht die vollständige Adresse zu nennen ist. Dies wird von der Stadt Pforzheim beachtet.

Wir haben uns mit dem hessischen Datenschutzbeauftragten in Verbindung gesetzt. Dieser teilte uns mit, dass dort die Ansicht vertreten werde, im Rahmen der Anhörung gem. § 55 OWiG gebe es keine Regelung welche Angaben notwendig seien. Damit der Betroffene sich äußern könne, müsse er Angaben zum Tatvorwurf erhalten. Dabei seien Angaben zum Konkreten Beweismittel und damit der Name des Zeugen nicht zwingend. Allerdings könne der Betroffene die Angaben im Rahmen der Akteneinsicht erhalten.

Wir haben diesen Fall nochmals intern diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir bei unserer bisherigen und im Tätigkeitsbericht 2016/2017 veröffentlichten Rechtsmeinung bleiben.

Die Anwendung des § 136 StPO (erste Vernehmung) im Anhörungsverfahren ist herrschende Meinung (so auch Gürtler in Göhler Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 17 Aufl. § 55 Rdn. 2). Der Grundsatz des fairen Verfahrens rechtfertigt die Nennung von Zeugen und Beweismitteln, damit der Betroffene sich gegen den Vorwurf effektiv verteidigen kann. Die Verfolgungsbehörde und ihre Ermittlungsorgane bestimmen die Form der Anhörung nach pflichtgemäßem Ermessen.

Somit liegt die Nennung der Zeugen im Ordnungswidrigkeitenverfahren durch die Stadt Pforzheim in deren pflichtgemäßem Ermessen und ist datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

[…]

Antwort des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg vom 22. März 2019